Grabmal im Fokus
Grabstelle Bellmann – Grabmalgestaltung Artur Winde
Etwas versteckt im „Neuen Teil B“ des Loschwitzer Friedhofs, nahe der Buchenhecke zur Elbeseite zu, befindet sich die Grabstelle Bellmann. Fast schmiegt sie sich mit ihrer Holzstele in die umlaufenden Hecken ein. „Ein hölzernes Grabmal mit singulärer Bedeutung im Bereich der Sepulkralkultur auf dem Loschwitzer Friedhof und darüber hinaus den anderen Friedhöfen Dresdens. Das einzige erhaltene dieser Art in Dresden.“ schreibt 2012 eine Mitarbeiterin des Dresdner Denkmalpflege.
Geschaffen wurde das Holzgrabmal von Prof. Dr. Theodor Artur Winde (1886-1965). Er war ein engagiertes Mitglied des Vereins „Deutscher Werkbund“, welcher 1934 aufgelöst wurde. Bahnbrechende Werke auf dem Gebiet der angewandten Holzschnitzerei und Holzdrechslerei, Holzgrabdenkmäler und Holzspielzeug gehörten zu seinem Werk. Im Dresdner Volkskunstmuseum kann man heute noch einiges in einer Vitrine bewundern.
In einer Beschreibung seiner Holzgrabzeichen von 1948 heißt es: „Wer nach Jahren Windes Holzgrabzeichen wiedersieht, stellt fest, dass die Verwitterung zur Harmonie des Ganzen beigetragen hat, indem mittlerweile Holzstruktur und Schnitzerei unter dem Schleier der Patina miteinander zu untrennbarer Einheit verwachsen sind.“ Besser kann man es nicht beschreiben. Die Holzstele auf dem Loschwitzer Friedhof ist außergewöhnlich - sie ist aus Eichenholz gefertigt mit stilisierten Blumen. Diese wurden mit Bedacht gewählt, für die zu früh verstorbene Margarete Bellmann.
Aber wer waren Margarete Bellmann geb. von Liebenau (1886 -1946) und Dr. Karl Bellmann (1887 - 1976) Ihre Enkelin Elin Walther erzählte uns folgende Geschichte: Dr. Karl Bellmann und seine Ehefrau Margarete haben Mitte der dreißiger Jahre in Loschwitz auf der Calberlastraße 1f ein Haus gebaut - einerseits in Anlehnung an die Häuser im Osterzgebirge, andererseits mit Elementen nach Art des Bauhauses. Dort lebten sie mit ihrer Tochter Christine und ab 1945 mit deren Mann Pan Walther.
Auch die Familie Prof. Winde wohnte auf der Calberlastraße 7, waren also Nachbarn von Bellmanns, so wie auch die Familie des bekannten Malers Josef Hegenbarth in der Calberlastraße 2. Prof. Winde war, wie auch Karl und Margarete Bellmann, sehr stark mit dem Deutschen Werkbund und der „modernen Formenentwicklung“ beschäftigt. So gab es häufiger gegenseitige Besuche zwischen ihnen und auch den Hegenbarths.
Margarete Bellmann war vor ihrer Ehe eine freischaffende Künstlerin. Ihre Ausbildung hatte sie an der Dresdner Kunstakademie erhalten. Sie fertigte außergewöhnliche Seiden-Kunstblumen an, gestaltete für ihre Zeit ungewöhnliche Stoffe und war eine der wenigen Frauen, die in der damaligen Zeit in den „Deutschen Werkbund“ als Mitglied gewählt worden ist. Einige Zeit arbeitete sie in der berühmten Kunstblumen-Fabrik Mey und Co in Sebnitz, wo man 1919 gegen ein gutes Honorar ihre Entwürfe als Muster erwarb. Später fertigte sie nur Einzelstücke an, welche u. a. von den „Deutschen Werkstätten Hellerau“ oder dem ersten Berliner Modehaus „Alfred Marie“ von Haas-Heye am Pariser Platz abgenommen wurden. Ihre reiche Phantasie und eindrucksvolle Farbgebung lassen heute noch ahnen, welche besondere Kunst sie beherrschte.
Artikel, z. B. in der vielgelesenen „Gartenlaube“ von 1917, beschreiben ihre Arbeit als außergewöhnlich, einmalig, welche bewusst von der Vorlage des Natur-Modells abweicht. Einige wenige Stücke davon sind der Familie erhalten und erzählen von ihrer hohen handwerklichen Kunst.
Dr. Karl Bellmann arbeitete als Regierungsbaumeister und Architekt im sächsischen Staatsdienst bis 1952. Dennoch gehörte seine Liebe der Malerei. Er war u. a. förderndes Mitglied der Dresdner Künstlergruppe „Brücke“. Seine Bilder mit Öl-Pastellfarben bzw. Radierungen präsentierte er schon seit 1911 in verschiedenen Ausstellungen. Bellmanns Landschafts-Bilder spiegeln die innere Verbundenheit mit seiner Heimat wider und sind bis heute berührende Zeugnisse rund um Elbe und Erzgebirge.
Für ihn wurde ein liegender Grabstein gefertigt, entworfen von seinem Freund und Nachbarn Friedrich Press. Es ist auf den ersten Blick ein unscheinbarer Grabstein aus Muschelkalk, beim genaueren Hinsehen sieht man jedoch die außergewöhnliche Schrift-Gestaltung des sonst so schlichten Grabsteins.
Mechthild Glöckner, 11/2022
Quellen: Unterlagen der Familie, Buch „Künstler am Elbhang 1“ von 1999, Kunst der Gegenwart VI, Th. Artur Winde (1948), Die Gartenlaube, Frau Dr. Heidelbach
Grabstelle Techritz – Rhensius – Grabmalgestaltung Max Herfurt
Die Grabstelle der Familie Techritz-Rhensius befindet sich im Neuen Teil des Loschwitzer Friedhofs, gegenüber der östlichen Mittelmauer und der Grabstelle Höhne. Sie wurde 1919 mit der Bestattung von Martha Techritz geb. Herfurt (1874 – 1919) erworben.
Der Bruder der Verstorbenen war der bekannte Architekt Max Herfurt (1872 – 1932). Er entwarf für seine Schwester diesen außergewöhnlich schönen Grabstein aus Sandstein. Er ist wohl proportioniert mit seitlichen Schwüngen, Engelsflügeln gleich, und gekrönt mit einem Kreuz, um das ein Rosenkranz geschlungen ist.
Familie Techritz besaß über zwei Generationen ein Kolonialwarengeschäft auf der Fischhausstraße 8, in dem sich auch eine Bäckerei befand. Da die Fischhausstraße 1919 zum Gemeindegebiet Loschwitz gehörte, erwarb die Familie für die viel zu früh verstorbene Mutter und Ehefrau eine Grabstelle auf dem Loschwitzer Friedhof. Nach deren Tod wurde das Geschäft von ihrem Ehemann und der Familie weitergeführt. Nach dem Krieg erfolgte die Enteignung des Geschäftes und der Verlust der Mietswohnung im gleichen Haus an Angehörige der sowjetischen Armee. Die Neugründung eines Lebensmittelgeschäftes an anderer Stelle in Dresden scheiterte später.
(Max Herfurt selbst liegt bestattet auf dem Urnenhain Dresden-Tolkewitz. Er schuf viele prägende Villen, besonders auf dem Weißen Hirsch und in der Stadt Dresden.)
Mechthild Glöckner, 8/2022
Quellen: Internet, Google: wikipedia; Loschwitzer Ortschronik; Friedhofsunterlagen und Familienarchiv Rhensius
Grabstelle Vinzenz Wanitschke
Im alten Teil des Friedhofs, unweit des Durchgangs zum neuen Teil auf der rechten Seite, hat der Bildhauer Vinzenz Wanitschke (19.6.1932 – 14.03.2012) seine letzte Ruhe gefunden – gegenüber einem seiner Lehrer, Walter Arnold. Auf seiner Grabstelle in der Stele aus Postaer Sandstein ist im oberen Bereich eine „Verformte Kugel“ (Zeitzeichen) eingelassen, eine von ihm öfter verwendete Gestaltung. Die Kugel – ein Sinnbild für Leben und Tod, Innen und Außen, durch Einflüsse des Lebens? Die Plastik war ursprünglich aus Bronze und wurde bei einem Diebstahl herausgebrochen. Seine Familie entschied sich aus Sicherheitsgründen dafür, diese Kugel danach wieder in Terracotta einzubringen.
Wanitschke, 1932 in Deschnei (Tschechien) geboren, lernte in Neubrandenburg Holzbildhauer und studierte später in Wismar und Dresden. Seine Kunst begegnet uns besonders in Dresden an vielen Orten. So z.B. auf der Brühlschen Terrasse (Erde und Planeten), in der Kreuzschule, inmitten der Stadt nahe dem Rathaus die Plastik „Solidarität“, im rekonstruierten Dresdner Schlosshof oder auch in der Dresdner Frauenkirche, wo er an der Rekonstruktion des Altars maßgebend mitgewirkt hat (Die Gloriole ist nur ein Teil davon!). Nicht aus dem Stadtbild wegzudenken sind seine Brunnen (z.B. am Bellevue „Drei Grazien“ – oder der herrliche „Zirkusbrunnen“ auf der Sarrasanistraße, wie auch dem Trinkbrunnen auf der Prager Straße), die durch ihre besondere Gestaltung zum Verweilen und Staunen einladen.
Mechthild Glöckner, 8/2022
Quellen: Vincent Wanitschke, Gerlint Söder, Jütte-Druck GmbH, Leipzig
Brunnen, Wohnungsgenossenschaft Johannstadt eG, Dresden, 2011
Anita Wanitschke
Oskar Zwintscher in Loschwitz
Der Maler Oskar Zwintscher – ein Meister abgründiger Motive und virtuoser Farbgebung, dem aktuell im Dresdner Albertinum eine große Sonderausstellung gewidmet wird („Weltflucht und Moderne. Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900“, 14.5.2022 bis 15.1.2023) – ist eng mit Loschwitz verbunden. 1870 in Leipzig geboren, kam er 1890 nach Dresden und studierte dort an der Kunstakademie bis 1893. In den folgenden zehn Jahren lebte er in Meißen, um dann an die Dresdner Akademie zurückzukehren; dieses Mal jedoch als Unterrichtender. 1904 wurde er zum Professor ernannt. Damals war Zwintscher erst 34 Jahre alt: ein Coup in der Reformierung des akademischen Lehrkörpers und ein enormer Sprung in der Karriere des Malers.
Oskar Zwintscher: Selbstbildnis. 1904. Staatliche Kunstsammlungen Dresden – Albertinum
In etwa die gleiche Zeit fällt auch seine erste Verbindung mit Loschwitz: Wie die Taufbücher der Kirchgemeinde Loschwitz belegen, hatte Oskar Zwintscher gemeinsam mit Sascha Schneider und dessen Schwester Lilie Schneider im November 1903 das Patenamt für Maja Unger (1903–1973), die Tochter des Künstlerfreundes Hans Unger übernommen. Schon seit ihrem Studium an der Dresdner Kunstakademie waren die Maler Zwintscher, Unger und Schneider freundschaftlich verbunden. Bereits 1902 hatte sich Hans Unger, der durch zahlreiche Auszeichnungen und Verkäufe in jenen Jahren wirtschaftlich sehr erfolgreich war, nach eigenen Ideen von dem Architekten Martin Pietzsch eine Villa mit Atelier für das Grundstück Kügelgenstraße 6 entwerfen lassen. Es ist davon auszugehen, dass Zwintscher seit jener Zeit regelmäßig in Loschwitz bei Familie Unger zu Gast war. Vielleicht nährten dies und die Tatsache, dass damals zahlreiche Künstler am Elbhang ansässig wurden, den Wunsch, selbst ein Anwesen in Loschwitz zu erwerben.
Nachweislich befanden sich im Besitz der Familie Hans Unger vier Gemälde Zwintschers, die heute zu dem großen Konvolut von Bildern seiner Hand im Dresdner Albertinum zählen. Die drei Werke »Frühling«, »Ansicht von Meißen – Blick von der Burg« und »Die Melodie« konnten 1974, nach dem Tod von Maja Unger, für die Gemäldegalerie Neue Meister erworben werden. Bereits 1969 hatte sie Zwintschers »Selbstbildnis« von 1904 an die Galerie verkauft. Es ist gut vorstellbar, dass es sich aufgrund der familiären Verbindung teilweise auch um einstige Geschenke an die Familie Unger handelte. Noch 1915, kurz vor seinem Tod, arbeitete Oskar Zwintscher an einem Porträt seines Patenkindes.
Lebte Zwintscher in den ersten Jahren seiner zweiten Dresden-Zeit an verschiedenen Orten – zunächst in der Südvorstadt, danach in Klotzsche –, zog es ihn um 1910/11 endgültig an den Elbhang. Nach einem kürzeren Mietverhältnis in der Robert-Diez-Straße 10 kam es schließlich im Mai 1913 zum Kauf einer Villa samt Garten in unmittelbarer Nähe des Blauen Wunders, Schillerstraße 2 / Plattleite 1 b. Zusammen mit seiner Frau Adele, geb. Ebelt (1872–1942) wohnte er dort bis zu seinem frühen Tod im Februar 1916. Adele beauftragte wiederum Zwintschers frühen Weggefährten Sascha Schneider mit der Ausführung einer Grabfigur für die Begräbnisstätte auf dem Loschwitzer Friedhof. Schneiders „Trauernder Genius“ wurde jedoch erst 1921 vollendet und aufgestellt.
Abb. 2
Villa Zwintscher, Dresden-Loschwitz, Schillerstr. 2 / Plattleite 1 b, um 1914. Privatbesitz
Abb. 3
Sascha Schneider: Trauernder Genius, 1921. Friedhof Loschwitz. Foto: A. Dehmer
Abb. 4
Oskar Zwintscher: Adele Zwintscher im Hamsterpelz, 1914. The Jack Daulton Collection
Zu den beeindruckendsten Gemälden, die Oskar Zwintscher in den letzten Jahren seines Lebens geschaffen hatte, zählen Bildnisse von seiner Gattin. Das 1914, an der Zeitenwende des Ersten Weltkriegs entstandene Porträt „Adele Zwintscher im Hamsterpelz“ gehört zu den Meisterwerken seiner Spätzeit. „Dargestellt ist nicht mehr die junge Frau, die er 1898 geheiratet hatte“, so die Direktorin des Albertinum Hilke Wagner in dem ausstellungsbegleitenden Katalog, „sondern – dies scheint die Ausstattung mit mondänem (wenngleich um 1914 bereits etwas aus der Mode gekommenen) Hut mit Straußenfeder und extravagantem Hamsterpelz klarzustellen – eine gutsituierte, Anfang 40-jährige Dame mit dem Statusbewusstsein der Gattin eines anerkannten Akademieprofessors.“
In seiner altmeisterlichen Auffassung und in seiner detailrealistischen Schonungslosigkeit spiegelt das Bildnis ein intensiv gelebtes Leben und weist damit auch voraus in die Malerei der Neuen Sachlichkeit. Zwischen den zahllosen Damen „in Weiß“ oder „in Schwarz“ aus der Zeit um 1900 ist das in Brauntönen gehaltene Ölbild ein Meisterwerk malerischer Finesse. Das Ornament des Hintergrunds suggeriert eine private Sphäre, die womöglich mit der ehemaligen Innenausstattung der Villa Zwintscher korrespondierte. Der Originalzustand der Räume lässt sich zwar nicht mehr rekonstruieren, doch ist überliefert, dass in den „von Künstlerhand gestimmten Innenräumen“, wie Hildegard Heyne 1916 schrieb, „alte Möbel, blinkende Geräte, Blumen, Teppiche und Wandfarben nicht nur zusammenklangen mit Bildern […], sondern auch mit den Menschen, die sie bewohnten.“ Es war eine Zauberwelt also fernab des Straßenlärms, die mit dem Tod des Malers 1916 allmählich dem Niedergang anheimfiel. Als Adele Zwintscher starb, ging sie vollends verloren – doch eine leise Ahnung davon vermittelt das Haus noch heute.
(Für wichtige Hinweise danken wir der Kirchgemeinde Loschwitz, Mechthild Glöckner, Eberhard Münzner und Thomas Kübler).
Andreas Dehmer / Claudia Maria Müller
Das Grabmal Geissler auf dem Loschwitzer Friedhof
Eine der interessantesten Grabanlagen auf unserem Friedhof ist die Eck- und Wandgrabstelle Geissler. Direkt neben den schon vorgestellten Grabmalen Höhne, Knittel, Hennen und Pleißner gelegen, ist es das unter architektonischen und künstlerischen Aspekten interessanteste moderne (obwohl schon 90 Jahre alte) Grab des Friedhofes. Entstanden ist es aus tragischem Anlass. Der hier bestattete Walther Geissler kam am 5. August 1933 bei einem Verkehrsunfall in Wachwitz ums Leben. Die Sächsische Volkszeitung berichtete darüber in ihrer Ausgabe vom 8. August 1933:
„Auf der Pillnitzer Landstraße ... ereignete sich unweit der Stelle, wo am Tag vorher ein Radfahrer bei einem Zusammenstoß tödlich verunglückt war, erneut ein schwerer Verkehrsunfall. Der in Wachwitz wohnhafte Fabrikbesitzer Walther Geißler überfuhr mit seinem Personenkraftwagen in einer Kurve aus noch nicht geklärten Gründen ein Geländer und stürzte mit dem Wagen die acht bis zehn Meter hohe Böschung hinab, wobei sich der Wagen überschlug. Geißler war sofort tot...“ Walther Geißler wohnte auf der heutigen Wachwitzer Bergstraße 8 und war Inhaber einer „Metall – Nippes – Fabrik“, die auf „Saxonia – Nippes“ spezialisiert war. So ist es einem Geschäftsbrief zu entnehmen. Die Fabrik befand sich auf der Augsburger Straße.
Die Gestaltung der mit „F.B. 1933“ signierten Grabanlage erfolgte höchstwahrscheinlich durch den Maler und Bildhauer Friedrich Moritz Brodauf (1872 – 1939), der auf dem Loschwitzer Friedhof auch das bekannte Grabmal für die Familie Degele geschaffen hat. Brodauf studierte von 1888 bis 1892 an der Dresdner Kunstgewerbeschule. Auf dem Weißen Hirsch leitete er eine Mal- und Zeichenschule. Vor dem Eingang zum Waldfriedhof Weißer Hirsch schuf er das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Auch der bildkünstlerische Schmuck an der Loschwitzer Schillerschule stammt von ihm. Das Grab bildet in sich einen geschlossen Raum – einem Garten gleich - der durch eine Tür betreten wird. Der Blick fällt sogleich auf das sparsam, aber äußerst fein und ergreifend gestaltete Relief, unter dem ein Verweis auf das Johannes-Evangelium (4, V 47-51) zu finden ist. Von einer Bank aus schaut man auf eine Tafel, die die hier Bestatteten nennt.
Das Grabmal Geissler ist nicht nur für den Loschwitzer Friedhof sondern auch für die Sepulkralkunst Dresdens von großer Bedeutung.
Christian Mögel
Grabstelle Hennen – Grabmalgestaltung von Martin Pietzsch
Die Grabstelle der Familie Weber - Hennen wurde 1919 erworben und befindet sich im Neuen Teil des Loschwitzer Friedhofs an der östlichen Mittelmauer. Das Grabmal erzählt vom Verlust zweier Söhne im 1. und 2. Weltkrieg. Vergissmeinnicht-Girlanden ranken sich über das gesamte Grabmal, in dessen Mitte auf Eichenlaub und gekreuzten Säbeln der Soldatenhelm ruht. Es ist das dem Friedhof einzig bekannte Grabmal, welches von Martin Pietzsch entworfen wurde.
Wer war die Familie Hennen? Auszüge aus den Tagebüchern von Paul Hennen stellte uns freundlicherweise die Urenkelin zur Verfügung. Im Loschwitzer Stadtbild findet sich am Körnerplatz 2 noch ein Zeugnis der hohen Handwerkskunst der Firma Böhme und Hennen. (Foto)
Friederike Bleul-Neubert (Urenkelin) nach dem Tagebuch von Paul Hennen:
„Paul Hennen wurde am 10.7.1868 in Leisnig geboren. Sein Großvater war aus Belgien (Kettenis) ausgewandert. Maria geb. Weber wurde am 22.11.1871 in München geboren, ihre Vorfahren kamen aus Franken. 1894 heirateten sie und gründeten eine Familie in Dresden, 1895 und 1897 wurden die Söhne Joseph und Paul, 1900 die Tochter Ernestine geboren.
Paul Hennen wuchs in Oschatz auf und machte dort seine Lehre als Schlosser. Später fand er in Chemnitz und München Arbeit. Zur Vervollkommnung seiner Leidenschaft für kunstvolle Schmiedearbeiten besuchte er die Rosentalschule in München. In dieser Stadt lernten sich auch Paul und Maria kennen.
1893 wollte er sich mit seinem Freund Karl Böhme als Kunstschlosser selbständig machen. Sie fanden in Dresden-Neustadt auf der Görlitzer Straße ein Gebäude, in dem sie ihr Unternehmen „Böhme & Hennen“ mit 4 Schmiedefeuern gründeten. Bald fanden ihre Werkstücke, Tür- und Balkongitter und andere Fassadenarbeiten, Kronleuchter, kleine und große Einrichtungsgegenstände reißenden Absatz. Ausstellungen bescherten Medaillen und ließen den Kundenstamm von gut situierten Privat- und Geschäftsleuten bis hin zum Königlichen Theater und dem Königlichen Hofbauamt anwachsen. Besonders beliebt waren Stücke mit Rosenschmuck, deren Herstellung großer Sorgfalt bedurfte. So bekam Paul Hennen den Spitznamen ,Rosenhennen´.
Das Unternehmen expandierte in kürzester Zeit, bereits 1896 gab es 8 Feuerstellen mit über 100 Mitarbeitern, aus der ursprünglichen Werkstatt wurde mit vielen Um- und Anbauten eine Fabrik, 1910 fertigten große Maschinen gestanzte Massenware, vor allem Leuchten. Es wurden eine Vertretung im Leipziger Speckshof und Verkaufsstellen in ganz Deutschland eingerichtet. Die Fabrikation befand sich immer auf dem neuesten technischen Stand. Paul Hennen formulierte es in seinem Tagebuch so: ,Mein erster Junge ist mit Handarbeit, der zweite mit Dampfbetrieb und meine Tochter elektrisch zur Welt gekommen.´
1936 übernahmen die Söhne der Gründer das Unternehmen. Am 13.2.1945 wurde die Fabrik bombardiert: ,Auch unser Betrieb, mit unendlicher Liebe und Fleiß erbaut, fiel in Schutt und Asche. Über 50 Jahre lange mühevolle Arbeit wurde in einer Nacht vernichtet, dies ist grauenhaft, kaum faßbar´, klagte Paul Hennen.
Ihren Lebensabend verbrachten Paul und Maria Hennen in ihrem Haus in Loschwitz, Kotzschweg 16, das von dem Architekten Martin Pietzsch erbaut worden war. Er entwarf auch den Stein für das Grab, in dem Paul und Maria sowie ihre Tochter Ernestine ihre letzte Ruhe fanden.“
Diese Grabstelle kann in Grabpatenschaft übernommen oder auch für Bestattungen neu vergeben werden (4 Grablager).
Mechthild Glöckner
Quellen: Familienunterlagen Familie Hennen
Fotos Christian Mögel und Glöckner
Grabstelle Pleißner – Grabmalgestaltung Friedrich Press
Die Grabstelle des Uhrmachers Paul Pleißner (23.1.1876 – 4.12.1950) und seiner Frau Bertha (07.03.1880 – 27.04.1968) befindet sich im neuen Teil des Loschwitzer Friedhofs an der östlichen Mittelmauer. Sie ist ein eindrückliches Mahnmal, das an die Zerstörung Dresdens am 13. und 14.2.1945 erinnert.
Grabmal Uhrmacher Paul Pleissner, der im Bombenhagel des Februar 1945 sein Geschäft im Dresdner Stadtzentrum verlor. Foto: Johannes Dose
1948 kam Professor Oskar Menzel (1873 – 1958) mit einem Entwurf für dieses Grabmal zu Friedrich Press und bat ihn, es zu modellieren. Paul Pleißner, befreundet mit Friedrich Press, hatte durch den Bombenangriff im Februar 1945 sein Uhrmachergeschäft samt wertvoller Uhrensammlung in der Rosmaringasse 2/Ecke Schloßstraße verloren. So beauftragte er 1948 Friedrich Press mit der Herstellung des Grabmals. Sein Wunsch war es, dass dieses Grabmal eine Sonnenuhr und den von ihm geliebten Blick auf die Schloßstraße mit dem früheren Georgentor (noch ohne Turm vor dem Umbau 1889) und dem Turm der Hofkirche, wie er es noch kennengelernt hatte, beinhalten sollte.
Später brachte er Press zwei vormals sehr wertvolle Uhren, die er in den Trümmern der Schloßstraße aus dem Panzerschrank geborgen hatte und die durch die Gluthitze der Bombenangriffe geschwärzt und zerstört waren. Die alte Taschenuhr, dem sog. Nürnberger Ei ähnlich, fand ihren Platz auf dem Grabmal links unten. Die andere, eine kugelige Damenuhr, wird von einem Engel über der Schloßstraße gehalten. Ein weiterer Engel hält eine Sanduhr in seiner Hand. Zusammen mit der Sonnenuhr sind damit vier Uhren auf dem Grabmal vereint.
Paul Pleißner stammte aus einer Uhrmacherdynastie. Sein Vater Robert Pleißner (1849 – 1916) arbeitete viele Jahre in Paris, bevor er 1874 in Dresden das bekannte Uhrengeschäft eröffnete, welches sein Sohn Paul weiterführte. Die Familie hatte eine der bedeutendsten privaten Uhrensammlungen zu dieser Zeit, deren Kleinuhrensammlung 1909 von der öffentlichen Hand in wesentlichen Teilen angekauft wurde, um sie in den Sammlungen im Mathematisch-Physikalischen Salon der Bevölkerung zugänglich zu machen. Alle anderen Objekte der privaten Sammlung verbrannten 1945.
Press selbst beschreibt sein Werk in einem Interview 1981:
„Es ist der alles Leben vernichtende, fliegende Tod. Mit Flugzeugflügeln, als der Sieger über Tausende unschuldige Menschenleben, schwingt er triumphierend in seiner Rechten als Fackel eine der über 600 000 über Dresden abgeworfenen Brandbomben. Mit der linken knochigen Hand ist er gerade im Begriff, eine der großen Sprengbomben abzuwerfen.“
Press adaptiert damit eine bekannte Darstellung des geflügelten Saturn mit Sense und Stundenglas von Permoser, welche nach dem verheerenden Stadtbrand Dresdens 1685 zum Andenken 1690 an einem Dresdner Haus angebracht war.
1949 wurde das Holzepitaph fertig. Es ist an zwei Stellen signiert mit „Press 1949“. Paul Pleißner verstarb 1950. Man erzählt, erst kurz vor seinem Tode hätte er seiner Ehefrau eröffnet, dass er dieses Grabdenkmal schon hatte herstellen lassen.
Besonders ist noch zu erwähnen, dass die schmiedeeiserne Tür am Grabeingang mit einem Anagramm (Buchstabenversetzrätsel des ganzen Alphabetes in einem Zug) versehen ist.
Mechthild Glöckner
Quellen:
Artikel „Die Union“ vom 13.2.1981, Dr. R. Ander im Gespräch mit F. Press
Dokumentation Dipl. Restaurator Diezel, vom 05.02.2002
Archiv Eberhard Münzner
Internet, Google: Robert Pleißner; Paul Pleißner; Loschwitzer Ortschronik
Fachberatung: Matthias Geisler
Die Grabstätte Knittel/Rätzsch
Eine der stilvollsten und vielleicht sogar durch ihre Geradlinigkeit eine der modernsten Grabstätten auf dem Loschwitzer Friedhof ist die der Familien Rätzsch und Knittel. Sie befindet sich an der Mittelmauer im Neuen Teil A. Die Rückwand aus Sandsteinplatten, auf denen die Namen und Lebensdaten der hier Bestatteten zu lesen sind, ist schlicht gehalten. Den optischen Mittelpunk bildet auf einem kleinen Sockel stehend eine der schönsten (...und durchaus auch etwas erotisch geformten...) Schmuckurnen auf Dresdner Friedhöfen. Sie schuf der in Meißen geborene Bildhauer Georg Curt Bauch (1887 – 1967), der u.a. Schüler von Selmar Werner und Robert Diez war. 1918 erwarb er in Loschwitz ein Atelier. 1929 ging er in die Schweiz, sein Haus und Atelier behielt er jedoch. Noch einmal kurz hier verweilend, zog die Familie 1939 erneut von hier fort und 1943 floh er in die Schweiz. Auf dem Friedhof in Brione ist er begraben. Mit der Grabanlage Knittel verbindet mich jedoch auch etwas sehr Persönliches...Nach dem Tode meines Vaters fand ich in seinen Unterlagen einen Brief der Firma Bruno Knittel, unterschrieben von Frau Elisabeth Knittel (geborene Rätzsch – daher die familiären Beziehungen Rätzsch – Knittel), die meinem Vater mitteilte, dass die kleine Fabrik 1945 zerstört wurde und die Firma somit nicht mehr existiert. Mein Vater arbeitete dort bis 1941 und wurde dann als Soldat in den Zweiten Weltkrieg nach Osten eingezogen. Zurückgekehrt (als einziger von vier Brüdern...), wollte er in der Firma wieder um Arbeit nachsuchen. Bruno Knittel war Inhaber einer „Fabrik photographischer Bedarfsgegenstände“, die sich auf der Hassestrasse 1 (in der Nähe des heutigen Strassburger Platzes) befand. Er selbst wohnte nicht weit entfernt in der Wintergartenstrasse 2. Zu den Produkten seiner Firma gehörte auch der abgebildete 35 mm – Projektor von 1925. So erzählen Grabmale oftmals Geschichten, je älter sie sind, umso mehr laufen sie Gefahr, vergessen zu werden...
Christian Mögel
Grabstelle Höhne – Grabmalgestaltung von Selmar Werner
Die Grabstelle der Familie Höhne befindet sich im neuen Teil des Loschwitzer Friedhofs, an der östlichen Mittelmauer. Sie wurde 1921 mit der Bestattung von Pauline Klara Höhne geb. Maßdorf (1872 – 1921), der ersten Ehefrau von Karl Höhne, erworben.
Karl Höhne, Wirt der berühmten Bärenschenke im Herzen der Stadt Dresden, wohnte am Loschwitzer Elbhang. Seine markante Villa in der Kügelgenstraße 12 wurde 1912 von Oswin Hempel (1876 – 1965) für Karl Höhne und seine Familie erbaut. Im Keller des Hauses befand sich bis 1945 ein Billard-Salon mit Ausmalungen von Paul Rößner, welcher z.B. auch den Ratsweinkeller Dresden ausgemalt oder Farbglasfenster z.B. in der Versöhnungskirche Dresden-Striesen geschaffen hat. Die Ausstattung des Billard-Salons wurde ca. 1993 dem Stadtmuseum geschenkt und die Malereien gesichert und abgedeckt.
Die Bärenschenke, einst das größte Gasthaus in Dresden, befand sich in der Nähe des Altmarktes. In ihren 10 Sälen konnten bis zu 1200 Menschen Platz finden, für deren Versorgung das eigene Gut „Bärenklause“ zur Verfügung stand. Die Bärenschenke wurde 1924/25 ebenfalls von Oswin Hempel im altdeutschen Stil erweitert, ausgestattet mit einer damals hochmodernen Dampf-Koch-Küche, einer eigenen Schlachterei und einem Kühlhaus, einer Hausbrauerei und dem Angebot exotischer Spezialitäten (z.B. Bärenfleisch – 1917 sogar Elefantenfleisch). Sie war Treffpunkt für viele Dresdner und ihre Gäste. Im Bombenhagel 1945 fiel auch dieses Lokal in Schutt und Asche. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde es von Karl Höhne und nach dessen Tod 1931 von seinen Söhnen geführt.
Karl Höhnes Familie besaß das Rittergut Bärenklause (slawische Siedlung zwischen Lockwitz und Kreischa). Man ließ als Ortssymbol eine mannshohe Bärenfigur (geschaffen von Otto Pilz) im Park des Gutes aufstellen. Sie ist noch heute dort zu besichtigen. Eine Zweit-Bärenfigur befand sich vor der Dresdner Gaststätte, deren Eigentümer Karl Höhne seit 1900 war.
Das Grabmal der Familie Höhne ist ein Juwel auf dem Loschwitzer Friedhof. Es wurde geschaffen von Selmar Werner (12.12.1864 – 19.08.1953), einem bedeutenden Bildhauer, Maler, Grafiker und Medailleur, dessen Signatur sich im Aufsatz unter dem linken Arm der Frau befindet.
Wir begegnen seiner Handschrift noch an vielen Orten in der Stadt Dresden, so z.B. am Schillerdenkmal am Albertplatz, der Gruppe am Brunnen des Ehrenhofes an der Versöhnungskirche, der Kreuzigungsgruppe an der Ruine der alten Zionskirche, den Trägerfiguren am Sächsischen Oberlandesgericht nahe der Hofkirche oder dem Karl-May-Grabmal in Radebeul.
Selmar Werner, geboren in Thiemendorf in der Nähe von Gera, erlernte zuerst den Beruf eines Tischlers, später dazu den eines Holzschnitzers. Seine besondere Begabung erkennend, wurde er an die Königliche Akademie in Dresden empfohlen. Dort lernte er seinen späteren Studienfreund Ernst Barlach kennen. Er studierte u.a. bei Robert Diez und war befreundet mit Karl May, Wilhelm Kreis, Hans Unger, Richard Müller und Sascha Schneider. Ab 1906 unterrichtete Werner an der Dresdner Akademie, die ihn 1907 zum Professor berief. Schaffensreiche Jahrzehnte lehrte und arbeitete er in Dresden. Die sinnlose Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg erschütterten ihn zutiefst. Auch sein Atelier auf der Fürstenstraße (heute Fetscherstraße) wurde Opfer des Bombenhagels. Viele Jahre wohnte Werner in Graupa, vor den Toren Dresdens, wo er durch den Anbau von Gemüse und die Haltung von Tieren sich und seine Familie selbst versorgen konnte. Selmar Werner starb 1953 und wurde im Grab seiner Eltern in Gera beigesetzt.
Das Grabmal der Familie Höhne stellt ein Tor dar, das von einem bogenförmigen Aufsatz, gekrönt von einem Kreuz, abgeschlossen wird. Die Säulen links und rechts sind mit floralem Zierwerk versehen. In der Mitte des Tores steht die ursprüngliche Schrifttafel, die die erste Bestattung 1921 und alle weiteren Bestattungen dokumentiert.
Im Aufsatz befindet sich die Reliefdarstellung einer ruhenden weiblichen Gestalt, die sich auf einen ihrer Unterarme stützt. Darüber schwebt ein Engel, unter dem der Spruch: „Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen“ (Matthäus 5,8) steht. Großer Frieden geht von diesem in damals modernen Art deco Stil gestalteten Denkmal aus. Mit Hilfe dieser bildnerischen Gestaltung sollte den Hinterbliebenen der tröstliche Gedanke vermittelt werden, dass die mit 49 Jahren verstorbene Ehefrau und Mutter dreier Söhne bei Gott im Frieden sein darf.
Ergänzt wurde die Grabstätte durch einen ursprünglich nicht vorhandenen Grabstein (links daneben) für Erwin Höhne.
Diese Grabstelle kann in Grabpatenschaft übernommen oder auch für Bestattungen neu vergeben werden (4 Grablager, nur Urnenbeisetzungen möglich)
Mechthild Glöckner
Quellen:
„Selmar Werner“, Broschüre von Städt. Kunstsammlung Freital, Rolf Günther, 1995
Archiv, Eberhard Münzner
Internet, Google: wikipedia;
Loschwitzer Ortschronik; www.kreischa.de
Fachliche Beratung: Matthias Geisler
Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, Friedhof Loschwitz (Sachgesamtheit)
Ein skulpturaler Schatz auf dem Loschwitzer Friedhof – die vom Bildhauer Friedrich Press gestalten Grabmale
Zu den wichtigsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts, die in Dresden – und im speziellen Falle v.a. in Loschwitz – lebten, zählt der am 7. September 1904 in Ascheberg/Westfalen geborene Friedrich Press.
Dr. Christian Rietschel schreibt in dem 1975 in der Evangelischen Verlagsanstalt Berlin erschienenen Buch „Auftrag und Anliegen“ im Beitrag über Friedrich Press: „...(seine) Kunst... ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Sie ist nicht eingängig, sie zwingt zum Nachdenken, zum Nachvollzug. Immer ist es eine Aktion, ein Vorgang, auf den diese Kunst hinweist, und sei es der des Leidens, der Passion, nie ein Zustand, ein Stillstand. Wie ein kurzer Anruf stellt sie den Betrachter vor die Entscheidung, sich hineinzuversetzen in das, was sie andeutet, es nachzuvollziehen. Diese Kunst steht deshalb einem noch unartikulierten Urlaut näher als verständlicher Rede. Sie ruft zur Bewegung aus der Trägheit des Gewohnten, zur Empfindung, zum Engagement.“
Nach einer Holz- und Steinbildhauerlehre studierte er nach einigen kleinen Zwischenstationen von 1927 – 1931 an der Akademie der Bildenden Künste in Dresden bei Georg Wrba (1872 – 1939). Nach kurzer Unterbrechung seit 1934 wieder in Dresden, folgten zwischen 1940 und 1946 Kriegsdienst und Gefangenschaft. Seit 1954 lebte und arbeitete er auf der Robert-Diez-Straße (sic!) 1 in Loschwitz. Am 5. Februar 1990 vollendete sich hier sein irdisches Dasein.
Friedrich Press hinterließ ein fulminantes künstlerisches Gesamtwerk, von dem ein kleiner Ausschnitt zur Zeit in einer beeindruckenden Ausstellung noch bis zum 18. November unter dem Titel „Friedrich Press / Geistige Zeichen setzen / Skulpturen und Zeichnungen“ im Foyer der Dreikönigskirche zu sehen ist.
In Dresden sind besonders die Pieta in der Katholischen Hofkirche und die Altarraumgestaltung „Die zwölf Tore Jerusalems“ in der Katholischen Kirche St. Josef in Pieschen von herausragender Bedeutung.
Weniger bekannt ist, dass Press auch den Gedenkobelisk auf dem Sowjetischen Garnisonsfriedhof auf der Marienallee geschaffen hat. Durchaus noch diesem Realismus verpflichtet, schuf er sein erstes Grabmal auf dem Loschwitzer Friedhof für den Uhrmacher Paul Pleissner, der im Bombenhagel des Februar 1945 sein Geschäft im Dresdner Stadtzentrum verlor. Über dieses Grabmal wird zu entsprechender Zeit ein eigener Beitrag folgen. Ganz im Sinne der oben erwähnten künstlerischen (ja fast schon radikalen) Reduktion auf das Wesentliche sind die Grabmale für den Maler und Grafiker Hans Jüchser (1894 – 1977) und den Maler und Grafiker Prof. Hans-Theo Richter (1902 – 1969) – und ihre Familien – gestaltet.
Auf seinem eigenen Grab (und dem seiner Frau, der Werkkünstlerin Elfriede Press /1909 - 1998) steht die Plastik „Der verklärte Christus“ aus dem Jahre 1970/71. Auch hier ist die architektonische Gesamtgestaltung durch eine gesonderte Sandsteinrückwand bemerkenswert. Eins der frühen und typischen radikal reduzierten Werke ist das Christus-Grabmal für Schermanski.
Christian Mögel